Am Samstag Abend haben wir nach der Arbeit im Shop in ein Hostel in Cork eingecheckt und das ganze Wochenende in der Stadt verbracht. Wir hatten ziemliches Glück: An diesem Wochenende war wegen einer Veranstaltung (von der ich nichts genaueres weiß) ziemlich viel los und wir hatten schon die Befürchtung, wir würden keine Unterkunft finden. Doch mit etwas Insiderwissen und Vitamin B hat Tamara dennoch ein 6er-Zimmer mit Bad für 18€ pro Person herzaubern können. Dort haben wir uns also nach der Arbeit schön gemacht und sind aufgebrochen mit einem festen Ziel: Wir mussten die Pizzeria von Alessandro, unserem Barista-Lehrer finden. Der Zettel mit der Adresse und Telefonnummer war verschwunden, doch die Straße wussten wir noch und auch, dass gegenüber ein berühmter Pub namens The Rock sein sollte. Wir gingen in die Innenstadt und fragten uns von da durch. Man muss wissen, Cork ist die zweitgrößte Stadt Irlands, sie hat ca. 119 000 Einwohner. Als ich Cork bei meiner Ankunft in Irland zum ersten Mal sah, machte es auf mich sofort den Eindruck einer Kulisse für einen Film, der vor 100 Jahren spielt: Niedrige, schmale, bunte Häuser, kurvige Straßen, altmodische Ladenfassaden: rustikal und charmant.
Als wir uns zur Pizzeria durchfragten, warnten uns die hilfsbereiten Ortskundigen, dass es ein ganzes Stück zu gehen sei: Auf Nachfrage gaben sie an, es seien 10 bis 15 Minuten Fußweg. Das hat mich an eine Situation erinnert, als ich in Köln von Touristen gefragt wurde, wie weit es bis zum Neumarkt sei. Ich beschrieb den Weg und sagte, es sei ziemlich nah, höchstens 15 Minuten zu Fuß. Sie wirkten vor den Kopf gestoßen und begannen zu zweifeln, ob sie den Weg überhaupt auf sich nehmen sollten. Das fand ich wiederum komisch: Ich bin in einer Millionenstadt aufgewachsen. Selbst wenn ich zehn Minuten mit der Bahn irgendwo hin fahre, kommt mir das ziemlich nah vor. Bei einer kleinen Stadt ist das wohl anders: Man kann innerhalb von 15 Minuten den ganzen Ort zu Fuß durchqueren.
Letztendlich fanden wir Alessandros Pizzeria und ließen uns im The Rock nieder, wo er und sein Kollege uns die Pizza hinlieferten. Sie war wirklich lecker und auch das Murphy’s, ein irisches Stout wie Guiness, nur besser, schmeckte mir überraschend gut. Es wird übrigens in Cork hergestellt. Der Pub war ziemlich groß und dunkel, zwischen den Tischen war viel Platz. Es war wenig los, in einer Ecke hat ein Grüppchen Dart gespielt.
Danach sind wir in aufgrund von Krankheitsfällen reduzierter Besetzung ins Raven, einen anderen Pub gegangen. Dieser Laden war ganz anders: Jeder Tisch war besetzt und wir ließen uns an der Bar nieder. Die Stimmung war aufgekratzt, es war eher das, was man als Studenten-Kneipe kennt. Rote Wände, etwas alternativ, viele junge Leute. Überhaupt ist die Durchschnittsbevölkerung in Cork ziemlich jung und international. Es gibt eine große Universität, man trifft viele Franzosen, Deutsche, Russen, Polen. Dem jungen Publikum zum Trotz, oder gerade deswegen, müssen alle Kneipen und Clubs schon um 2 Uhr zumachen, selbst am Samstagabend. So kam es, dass wir um halb 2 rausgeschmissen wurden und uns wieder auf den Weg zum Hostel machten. Unser Zimmer war klein und schlauchförmig: links und rechts Hochbetten, in der Mitte ein Gang, durch den nur eine Person gleichzeitig passte. Am Ende ein relativ großes Badezimmer. Dieses hatte den Nachteil, dass das Licht mit einem Bewegungssensor betrieben wurde, der relativ unzuverlässig funktionierte. Die Lampe ging beispielsweise beim Duschen aus und war auch durch tanzartige Winkbewegungen nicht wieder an zu bekommen. Dies war besonders ärgerlich, weil gleichzeitig der Duschknopf gedrückt gehalten sein musste, damit Wasser aus der Brause kam. Dieses war immerhin 95% der Zeit warm. Trotz allem war das Hostel sehr sauber und warm, ich würde also wieder hingehen.
Am Sonntag sind wir ausgiebig frühstücken gegangen, in einem Café, das uns von der Hostelrezeption empfohlen wurde. Als ich sah, dass es Pancakes mit Ahornsirup und Speck gab, musste ich natürlich sofort zuschlagen (Die Kombination klingt komisch, wenn man zum ersten Mal davon hört, man sollte sich jedoch nicht beirren lassen). Dazu trank ich Tee. Ich war etwas überrascht, direkt eine ganze Kanne serviert zu bekommen, doch mir wurde erklärt, dass das hier so üblich sei. Für den Nachmittag hatten wir uns Kinotickets gekauft, bis dahin bummelten wir in der Stadt. Wir fanden einen wunderschönen, kleinen Spieleladen mit einer genialen Auswahl. Ich hätte den ganze Tag damit verbringen können, die ausgefuchsten Spielereien auszuprobieren und auch die Auswahl an Brettspielen war umfassend. Außerdem besuchten wir einen Süßigkeitenladen, wo auf Abwaage oder fertig verpackt unterschiedlichste Schlemmereien angeboten wurden.
Wir stellten fest, dass auf unseren Kinotickets keine Sitzplätze angegeben waren und da der Film erst vor drei Tagen erschienen war, (Mockingjay, Teil 1) wollten wir auf keinen Fall zu spät kommen. Um das Klischee der deutschen Pünktlichkeit auch bloß zu bedienen, fanden wir uns schon um 13:20 im Saal ein, obwohl die Vorführung erst um 14 Uhr beginnen sollte. Der Raum war natürlich absolut leer. Also wählten wir aus allen Sitzplätzen die besten aus und vertrieben uns die Zeit mit Quatschen und Fotos machen.
Die ersten Besucher betraten das Kino um 13:45, die meisten kamen um 14 Uhr. Vielleicht ist das der Grund, warum es in deutschen Kinos (die ich kenne) immer eine Sitzplatzreservierung gibt: Damit sich die Besucher nicht 40 Minuten vor Beginn in den Vorführraum setzen. Der Saal war auch bei weitem nicht ausverkauft, was uns ziemlich wunderte. Möglicherweise gibt es in Cork ein besser besuchtes Kino, das wir nicht kennen? Auf das Popcorn, das hier grundsätzlich salzig serviert wird, habe ich verzichtet und den Film stattdessen bei einem Slush-Eis genossen. Ich war etwas besorgt gewesen, dass ich wenig verstehen würde, da ich bei englischen Filmen oder Serien oft dieses Problem habe, obwohl mein Englisch sonst relativ gut ist. Zum Glück war die Sorge unbegründet. Einige Darsteller habe ich zwar die meiste Zeit nicht verstanden, doch die wichtigen Dinge und die Handlung konnte ich gut verfolgen. Ich mag den dritten Film der Panem-Trilogie sehr gerne. Ich glaube, das liegt daran, dass er vor allen Dingen emotional war. Oft berühren mich Filme, in denen nicht viel passiert, die irgendwie ruhig sind und die die Emotionen der Hauptfiguren so authentisch wiedergeben, dass ich den ganzen Film über mit ihnen fühle. Ich halte mich nicht für sonderlich temperamentvoll oder emotional, deswegen ist so ein Film für mich dann ein besonders schönes Erlebnis.
Nach dem Kinobesuch waren wir bei Vibes&Scribes, einem genialen Buchladen mit zwei Filialen nebeneinander: In der einen werden neue Bücher verkauft, in der anderen gebrauchte. Die Auswahl ist in beiden riesig. Nach einem Abendessen in einem Burrito-Laden, vertrieben wir uns die Zeit mithilfe von heißen Getränken bei McDonald’s (Ich trank widerwillig Tee: Meine Nachfrage, ob es Kakao gäbe, wurde verneint. Dann wollte ich mich auf einen Cappuccino einlassen, jedoch war die Maschine kaputt). Um 7 wollten wir uns mit Colin am Shop treffen. Er hatte uns einen Deal vorgeschlagen: Er würde uns nach Hause fahren, wenn wir Sonntag Abend den Shop putzen würden (Sonst hätten zwei Leute am Mittwoch nach Cork fahren müssen). So blieb auch der Sonntag nicht ganz ohne Arbeit. Nach ca. einer Stunde Putzen bestiegen wir den Jeep, wobei zwei Personen im Kofferraum Platz nahmen. Das hatte den großen Vorteil, das Colin sehr vorsichtig fuhr. Normalerweise rast er, nachts stärker als tags, so kommt es mir vor, mit einem Affenzahn über die kurvigen, hügeligen, engen Landstraßen. Oft scheint es so, als würde er direkt auf das entgegenkommende Auto zuhalten und wenn wir über einen Hügel fahren, denke ich manchmal, das Auto müsste jeden Moment abheben. Diesmal fuhr Colin aber besonders umsichtig und so kamen wir wohlbehalten und etwas erschöpft von dem ereignisreichen aber sehr schönen Wochenende wieder in unserem Basement an.
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