Tag 17: Dschungelabenteuer

Nach einigen Tagen der üblichen Arbeit gab es heute wieder eine neue Aufgabe: Junge Eichen beschneiden.

Colin erklärte uns, dass qualitativ hochwertiges Holz von Bäumen käme, die mitten im Wald wachsen statt am Waldesrand. Das läge daran, dass diese Bäume gerade nach oben wachsen und wenige niedrig gelegene Äste haben. Je gerader der Baum, desto besser das Holz. Unsere Aufgabe war es also, Äste an jungen Eichenbäumen abzuschneiden, damit sie in 80-100 Jahren u.a. zur Möbelproduktion eingesetzt werden könnten. Ein komischer Gedanke, wie ich finde, schließlich sind wir zu dem Zeitpunkt schon tot…Colin stattete uns mit der Art Astscheren aus, mit denen in Filmen manchmal Finger abgeknipst werden. Seine Einweisung in die Arbeit wirkte ziemlich chaotisch: Er demonstrierte es an einem Baum, schnibbelte herum, entfernte hier und dort einen Ast und ließ andere Äste stehen. Er sagte noch, denkt nicht zu viel darüber nach, schneidet ein paar Äste ab und alles, was euch im Weg wächst.

Das Beschneiden der Eichen sollte ein Großprojekt werden: Wir haben uns immer wieder damit beschäftigt. Sobald ein Grundstück abgearbeitet war, zeigte uns Colin einen neuen Platz mit Bäumen. Selbst zum jetzigen Zeitpunkt haben wir nur etwas mehr als die Hälfte aller Eichen geschafft. Der Job an sich ist relativ einfach und nicht besonders anstrengend, doch das Problem ist, dass der Wald stellenweise einem Dschungel gleicht: Mannshohe Brennesseln, Dornenranken, die quer über den Weg wachsen und alle Bäume umschlingen, widerspenstige Pflanzen überall. Ich trug mehrere Kratzer davon und leider fiel auch einer meiner Lieblingsohrringe der Aktion zum Opfer…

Was ist diese Woche noch passiert?

Wir waren wieder auf dem Kartoffelfeld, dieses Mal schien die Sonne nur kurz und es wehte ein eisiger Wind.

Ich versuchte, eine Verkäuferin nach Hefe zu fragen, ohne das Wort dafür zu kennen. Ich hatte Erfolg!

Wir haben den Ofen in den zwei leer stehenden Häusern auf der Farm geheizt, damit sie nicht zu feucht werden.

Zu Mittag gab es Fishpie, eine Art Gratin ohne Kartoffeln aber mit unzähligen Fischsorten und vielen Zwiebeln. Colin gestand uns, er würde selbst nicht so gerne Fisch essen (scheint in Irland auch nicht unbedingt üblich zu sein, obwohl man doch relativ nah am Wasser ist), hätte aber manchmal das Gefühl, es wäre ratsam, das zu tun. Mir wäre die alltägliche Kartoffel um ehrlich zu sein lieber gewesen.

Ihr seht schon: Die Ereignisse überschlagen sich und ich halte euch selbstverständlich auch weiterhin auf dem Laufenden.

Tag 12: Farmimpressionen

Wie läuft so ein Tag auf der Farm eigentlich genau ab? So einiges habe ich euch ja schon verraten (mein erster Arbeitstag), doch einige schmutzige Details sind bis jetzt noch nicht gefallen. Wie ihr wisst, füttern wir als erstes die Tiere: Die Schweine werden aus dem Stall auf den Hof gelassen. Während sie dort rumlaufen und fressen, füllen wir den Futtertrog und das Wasser im Stall wieder auf und misten aus. Dazu benutzt man ein Gerät, das mir vorher nicht bekannt war. Es erinnert ein bisschen an einen gebogenen Fensterabzieher und ist in etwa so groß wie andere Gartengeräte. Damit schiebt man den Mist über den Boden zu einem Haufen zusammen, den man anschließend mit einer Schaufel auf eine Schubkarre verlädt. Dieser Job ist relativ unbeliebt: Natürlich stinkt es wie verrückt, doch vor allem ist es ziemlich anstrengend, da das Zeug stark am Boden festklebt. Oft muss man den Kötteln einen ordentlichen Tritt mit dem Gummistiefel verpassen, damit sie sich lösen. Man fährt den Spaß dann mit der Schubkarre zu einem großen Haufen auf dem Hof. Ich habe die anderen mal gefragt, was damit passiert, doch niemand konnte es mir so genau sagen. Es sieht nach einer Weile des Rumliegens allerdings irgendwie appetitlicher und homogener aus und ich finde sogar, dass der Geruch sich bessert.

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In dem Stall leben nur die Ferkel, die auf diesen Bildern zu sehen sind und ihre Mutter Big Mama. Die übrigen Schweine haben einen Stall mit Außengehege, den wir Pig Forest nennen. Dort befinden sich einige Bäume und sehr viel Matsch.
Nachdem wir die Ferkel wieder eingetrieben haben, lassen wir die Hühner und Enten raus. Wie man auf dem dritten Bild sieht, machen sie sich dankbar über das restliche Schweinefutter her.

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Es dauert eine ganze Weile bis Schweine, Hühner, Ziegen, Schafe und Kühe versorgt sind. Manche Tiere sind, was ihr Futter angeht, zimperlicher als andere: So muss man zum Beispiel den Futtertrog der Ziegen erst einmal auskippen, wenn sich Wasser oder Schmutz darin befindet, da sie sonst nicht fressen würden. Kühe sind da ähnlich pingelig mit ihrer Silage.

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Nachdem wir uns an dem Tag um alle Tiere gekümmert hatten und mit unserer Teepause fertig waren, sammelten wir heute wieder Gemüse zum Verkauf im Shop. Wie man Kartoffeln und Zwiebeln sammelt, habe ich schon kurz angerissen, doch das ist längst nicht alles. Hinzu kommen Karotten (man gräbt sie aus und zupft den Stiel ab), Pastinaken, Grünkohl und Speiserüben. Ich habe die Vermutung, dass nicht alle meine Leser absolute Experten auf dem Gebiet Gemüse sind, also werde ich an dieser Stelle etwas ins Detail gehen. Die anderen mögen mir diesen kleinen Abriss bitte verzeihen; es folgen sicherlich noch spannendere Einblicke! Also: Pastinaken funktionieren ähnlich wie Möhren und sehen diesen ein bisschen ähnlich. Sie sind weiß und vielleicht doppelt so groß wie Karotten und man findet sie auch unter der Erde. Der Stiel lässt sich genauso leicht abzupfen. Grünkohl wächst, wie eine Blume, an einem dicken Stiel aus der Erde raus, den man mit einem Messer durchhacken kann. Bei der Speiserübe handelt es sich um ein violettes Gemüse, das relativ rund, unten spitz zulaufend und oben flach ist. Sie ist in etwa so groß wie ein Salatkopf und liegt auf der Erde, an dem spitzen Ende ist eine dicke und mehrere kleine Wurzeln, die in die Erde hineinwachsen. Um sie zu ernten, zieht man sie aus der Erde raus und entfernt mit einem Messer die kleinen Wurzeln, sodass nur die große kegelförmige bleibt. Die langen Blätter am anderen Ende säbelt man zu kurzen Stummeln.
Nach dem Mittagessen haben wir Feuerholztüten vorbereitet. Das Holz, das wir immer mit der Maschine spalten (hier habe ich darüber berichtet), füllen wir in leere Tierfuttertüten und verkaufen sie im Shop (vielleicht erinnert ihr euch ja noch an das Bild, rechts ist die Tüte).

Wir erledigten danach noch einige alltägliche Arbeiten und am Ende des Tages fuhren wir mit dem Traktor in den Wald, um dort die Asche aus dem Boiler zu entsorgen. Als wir uns auf den Weg machten, war die Sonne schon untergegangen, außerdem hat es ganz fein genieselt. Der Ausblick, den ich von der Motorhaube hatte, war ziemlich schaurig: Der Wald war dunkel und das Fernlicht des Traktors drang nur einige Meter weit durch die neblig-diesige Luft, in der Ferne blieb es schwarz. Die nächtliche Waldfahrt bescherte Luise und mir eine angenehme Gänsehaut.

Einschub: Christmas

Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass ich bei meiner Berichterstattung ziemlich streng chronologisch vorgehe. Das hat einen ganz einfachen Grund: Ich behalte den Überblick, über Dinge, die ich schon erzählt habe und kann von interessanten Dingen in der Vergangenheit berichten, selbst wenn in der Gegenwart nicht mehr so viel interessantes passiert. Doch jetzt, kurz nach Weihnachten, habe ich beschlossen, dieses Muster ausnahmsweise zu durchbrechen. Wer will schließlich Ende Januar noch hören, wie wir Weihnachten gefeiert haben?

Beginnen wir damit, dass man vor einem längeren Auslandsaufenthalt mit einigen Menschen redet und viele Fragen beantwortet. Dazu gehören natürlich:
Bist du schon aufgeregt?
Hast du schon gepackt?

Aber vor allem:

Kommst du über Weihnachten nach Hause?

Teilweise auch etwas variiert, beispielsweise:
Aber über Weihnachten kommst du doch nach Hause, oder?

Es handelt sich dabei um eine völlig legitime Frage, doch irgendwie entschieden wir alle, natürlich nicht ganz unabhängig voneinander:

Wir bleiben über Weihnachten da!

Unsere Vorbereitungen begannen am ersten Adventssonntag. Da es auf dem großen Farmgelände Waldabschnitte gibt, auf denen sich ausgedehne Sonntagsspaziergänge unternehmen lassen und das Wetter mal wieder prächtig war, zogen wir los, um Deko für unseren Adventsteller zu sammeln. Zuerst waren wir im dead forest. In diesem Waldabschnitt werden Farmtiere, die unterwartet sterben, begraben. Hier ist es etwas schaurig und düster, wobei der Name natürlich einen entscheidenden Teil zum Gruselfaktor beiträgt.

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Später haben wir den Sonnenuntergang am Ufer des Waldsees betrachtet. Hier gibt es ein halbes Holzboot, das als Sitzgelegenheit angelegt wurde.

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Nachdem wir abends das Basement mit unserem Adventskranz und allen Lichterketten, die wir finden konnten, dekoriert hatten, ließen wir den Tag bei Gesellschaftsspielen und selbstgemachter Pizza ausklingen.

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Dafür, dass bloß niemand die Vorweihnachtszeit ohne Adventskalender verbringen musste, war natürlich auch gesorgt. Für die, die noch keinen Adventskalender hatten, schafften wir Abhilfe beim wöchentlichen Shopping im Lidl.

Unseren Weihnachtsbaum holten wir am letzten Sonntag vor Heiligabend. Colin beschrieb uns den Weg zu einem Farmabschnitt mit Nadelwald. Wir bewaffneten uns mit einer Axt, bestiegen unseren kleinen Traktor und machten uns auf den Weg. Abwechselnd schlugen wir auf den schönsten Baum ein, den wir fanden und nach einer schweißtreibenden Viertelstunde konnten wir ihn voller Stolz in den Anhänger legen. Als Christbaumständer diente ein Eimer, den wir auf dem Acker mit Steinen und Erde befüllten. Die ganze Unternehmung feierten wir anschließend bei einem weihnachtlichen Teekränzchen mit deutschen Plätzchen und irischem Gebäck.

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An Heiligabend räumten wir die Wohnung auf und kochten zusammen. Mittags bereitete Tamara, dank ihrer Herkunft kompetent auf diesem Gebiet, eine schwarzwälder Kirschtorte vor. Für den Abend hatten wir einen Truthahn, den wir mit Zwiebeln und Möhren garnierten. Als Leah ihm das Gemüse in alle möglichen Körperöffnungen schob, machte sie ein bisschen den Eindruck, dem Vogel nicht wehtun zu wollen, sie tat dies ganz vorsichtig und mit spitzen Fingern (Dr. Besser würde sich auch als Frauenärztin nicht schlecht machen). Der Truthahn wurde wirklich gut. Das überraschte uns etwas, denn unser Ofen funktioniert nach dem Steinzeit-Prinzip: Man zündet ein Feuer an und schmeißt regelmäßig Holz nach. Nach einer Weile wird er warm und man kann etwas darin backen. Als Beilagen zum Truthahn gab es ganz klassisch Kartoffelknödel und Rotkohl, den wir am Samstag von einer Marktkollegin geschenkt bekommen hatten. Die Iren selbst essen traditionell Rosenkohl an Weihnachten. Er wurde uns im Shop und auf dem Markt quasi aus den Händen gerissen: Jedes Mal, wenn wir welchen hatten, war er am Vormittag schon ausverkauft und es wurde den ganzen Tag danach gefragt. Auch getränketechnisch waren wir an diesem Abend gut versorgt: Zwei Kunden hatten uns unabhängig voneinander 20€ Trinkgeld gegeben und insistiert, dass wir ausschließlich alkoholisches davon kaufen dürften. Dabei ist es in Irland gar nicht üblich, Trinkgeld zu geben, außer der Service ist außerordentlich gut. Dementsprechend ist es ein besonders großes Kompliment, wenn sich ein Kunde so großzügig zeigt. Nach dem Essen zogen wir also mit unseren Getränken ins Wohnzimmer und packten erst unsere Wichtelgeschenke und dann alle anderen Weihnachtspäckchen und Pakete von zu Hause aus. Wir ließen es uns auch nicht nehmen, an diesem Tag unsere Shisha anzumachen. Dieses alte Ding hatte Colin wohl irgendwann relativ billig in Asien erstanden. Da es in Irland nahezu unmöglich scheint, Shisha-Tabak zu bekommen, ist mein fürsorglicher Freund in Köln losgezogen, um für uns einzukaufen und ein Päckchen zusammenzustellen. Dass sowohl der Tabak als auch der Glühwein, die sich beide unerlaubterweise in dem Paket befanden, überhaupt bei mir angekommen sind, grenzt an ein kleines Weihnachtswunder. Man muss dazu sagen, es ist sehr wohl möglich, in Irland Glühwein zu kaufen: Er kostet im Lidl knappe 7€ die Flasche.

Die restlichen Weihnachtsfeiertage verliefen relativ ereignislos. Damit wir die Reste vom Weihnachtsessen und dem Truthahn wieder aufwärmen konnten, zerlegte Christoph den Vogel todesmutig in alle seine Bestandteile. Dieser Prozess dauerte länger als eine Stunde und machte ziemlich unappetitliche Geräusche, doch am Ende war das Truthahnfleisch von Knochen, Knorpeln und anderen undefinierbaren Dingen getrennt. Da wir nicht arbeiten mussten, vertrieben wir uns die Zeit damit, zu lesen, Filme zu gucken, im Internet zu surfen oder zu malen.

 

Tag 11: Macroom

Nach der üblichen Arbeit am Morgen (Tiere füttern, Rüben sammeln, Traktor fahren) sind wir heute in kleiner Besetzung nach Macroom aufgebrochen. Es handelt sich dabei um eine beschauliche Stadt, die 8 km von der Farm entfernt liegt. Bevor es den Laden in Cork gab, verkauften die Volontäre und Colin die Farmerträge auf dem dortigen Markt. Colin trommelte uns also zusammen und als wir schließlich alle im Auto saßen, kündigte er an, sich noch rasieren zu müssen und verschwand wieder im Haus. Wir warteten und warteten und irgendwann beschloss Leah kurz ins Basement zu gehen, um ihre Kopfhörer zu holen. Im Scherz kündigten wir an, wenn Colin käme, ihm zu sagen, dass sie doch nicht mitfahren wollte. Und tatsächlich kam er im nächsten Moment zum Auto und wollte sofort losfahren, wir sagten natürlich, dass Leah bald wiederkäme. Er sprach nur: We’re already late (Er hatte einen Zahnarzttermin) und dass er bis 10 zählen und dann fahren würde. Während er wartete, fuhr er das Auto langsam ums Haus herum und schaute immer nervös nach hinten, um zu prüfen, ob Leah noch angerannt käme. Als sie nach einer Minute immer noch nicht in Sicht war, fuhren wir ohne sie, dafür aber mit ihrer Handtasche los. Sie sei sowieso schon einmal in Macroom gewesen. Leah fand die ganze Aktion nicht einmal halb so lustig wie wir und als wir ca. drei Stunden später zur Farm zurückkamen, war sie noch immer nicht wieder bei Laune: Zu allem Überfluss hatten wir nämlich auch ihre Zigaretten mitgenommen. Zunächst aber fuhren wir ziemlich erheitert von Colins Skrupellosigkeit nach Macroom. Nachdem wir irgendwo einen Reifen abgeladen hatten, ging es zur Recyclingstation. Dort checkten wir an einer Art Wärterhäuschen ein und befanden uns dann auf einem Hof mit vielen unterschiedlich großen und farbigen Müllcontainern. Sie waren gruppiert und an jeder Gruppe stand ein Schild, das beschrieb, was in die Container gehörte. Auf mich wirkte die ganze Mülltrennung extrem pingelig: Alles mögliche wurde voneinander getrennt. Essensdosen von Getränkedosen, Plastikflaschen von Plastikbehältern für Essen und anderem Plastik, kleine grüne Bierflaschen von allem anderen möglichen Glas. Und natürlich sollte alles ordentlich ausgewaschen sein. Positiv fand ich aber, dass man auf diesem Hof auch alles mögliche an Müll loswerden konnte, wir mussten also nicht noch irgendwo anders hinfahren. Außerdem war es extrem günstig (früher hat es gar nichts gekostet). Nachdem wir unseren halbwegs ausgewaschenen Müll in die vielen verschiedenen Container einsortiert hatten, ging Colin zum Zahnarzt und wir hatten etwas Freizeit. Auch Macroom ist eine sehr süße, kleine Stadt mit vielen bunten alten Häusern und antiken Ladenfassaden. Offensichtlich sind sich die irischen Städte in diesem Punkt sehr ähnlich. Das Wetter war fabelhaft. Ein kleiner Fluss mit grünem, bepflanzten Ufer glitzerte im Sonnenlicht. Auch ein altes Schloss gab es, es war also ein richtig idyllisches Bild. An dem Tag war Markttag und wir fanden einen Waffelstand mit einem jungen, unheimlich verpeilten oder bekifften oder übermüdeten Verkäufer. Nach unserer Waffel erledigten wir einige kleine Besorgungen und setzten uns schließlich in ein ziemlich mädchenhaftes Café, das sehr fifties-angehaucht war. Man konnte sich kaum retten vor Cupcakes, Punkten und der Farbe pink. Auch die Kellnerinnen trugen altmodische pinke Haarbänder. Die Deko erfüllte jedoch ihre Absicht, denn das Café war alles in allem irgendwie süß. Den Nachmittag verbrachten wir wieder im Leades House, pflückten Rüben und holten Feuerholz.

Kubotafahren

Traktor fahren ist eigentlich gar nicht so schwer. Es gibt drei Gänge, wobei man meist nur den zweiten benutzt, sogar zum Anfahren. Das kommt mir sehr entgegen, denn seitdem ich vor zwei Jahren meinen Führerschein gemacht habe, bin ich nur einmal Schaltung gefahren, sonst immer nur Automatik und selbst das recht selten. Wenn man den Kubota (so heißt unser kleiner Traktor) erst einmal angefahren hat, fährt er auch von ganz alleine. Man muss also nicht einmal das Gaspedal drücken. Es gibt natürlich trotzdem eins und da ich nicht immer nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren wollte, habe ich fleißig draufgetreten. Das hatte allerdings zur Folge, dass sich der Traktor ganz komisch verhielt. Sobald ich auch nur ein bisschen Gas gab, fing er sofort an, zu stottern und zu rattern, als wolle er gleich abwürgen, fuhr aber trotzdem fleißig weiter und wurde schneller. Am Ende des Tages erfuhr ich quasi durch Zufall von Leah (irgendwie ist das nicht zur Sprache gekommen, als mir das Fahren erklärt wurde), dass man das Gaspedal überhaupt nicht braucht, um schneller zu fahren. Unterm Lenkrad befindet sich nämlich ein Hebel: Drückt man diesen runter, fährt der Traktor schneller, ist er ganz oben, kommt man nicht über Schrittgeschwindigkeit hinaus. Wenn man das erst einmal weiß, ist die Fahrt eine ganz andere Erfahrung. Eine weitere Besonderheit ist, dass man zum Vorderradantrieb wechseln kann, damit man auch auf dem matschigsten Feld weiterkommt.

So richtig verkehrstauglich kommt mir das Fahrzeug allerdings nicht vor: Weder Blinker noch Abblendlicht funktionieren. Wenn man bremsen will, muss man zwei Bremspedale gleichzeitig treten. Sie sind mit einer Art Zurrgurt miteinander verbunden, doch so richtig viel Reaktion bekommt man nicht. Wenn man beispielsweise bergab fährt, muss man sich mehr oder weniger breitbeinig in den Traktor stemmen und sich am Lenkrad festklammern, damit er zum stehen kommt. Hinzu kommt natürlich der Linksverkehr: Wenn man auf die Straße fährt, muss man sich erst einmal orientieren, aus welcher Richtung man denn überhaupt Autos erwartet. Glücklicherweise sind die Abschnitte, die ich im öffentlichen Straßenverkehr fahre, verschwindend klein und so fällt es nicht zwingend auf, wenn man auf den 200m bis zum Kuhfeld zunächst versehentlich auf der falschen Seite fährt (ist nur am ersten Tag passiert). Andere Autos sieht man auch eher selten. Es gibt jedoch eine entscheidende Schwierigkeit und das ist der Anhänger. Dieser ist nämlich sowohl länger als auch breiter als der Traktor selbst und fährt immer genau da hin, wo man ihn nicht haben möchte. Ich bin ziemlich froh, dass es auf einer Farm nicht viel gibt, was man kaputt machen kann, denn an meinem ersten Tag als Traktorfahrerin habe ich mit diesem Anhänger nahezu alles gerammt, was nicht rechtzeitig fliehen konnte. Einmal hatte ich das Gefühl, ich würde das Holzlager abreißen. Es handelt sich dabei nämlich um ein breites hohes Dach, das von mehreren Holzpfosten gehalten wird. Wenn man den Kubota fährt, muss man immer daran denken, die Kurven nicht zu eng zu nehmen, da sonst der breitere Anhänger irgendwo hängen bleibt. So kam es dann im Holzlager so, dass ich den Anhänger mit voller Wucht gegen einen dieser Pfosten donnerte. Ich bilde mir ein, sogar ein knacksen gehört zu haben, doch überraschenderweise ist nichts weiter passiert.

Eine weitere Gemeinheit ist, dass sich die Reifen des Anhängers und des Traktors ineinander verhaken, wenn man zu enge Kurven fährt. Auch das ist natürlich prompt passiert, als ich das Fahrzeug in dem engen Holzlager mit den unzähligen Pfosten wenden wollte. Ich glaube ja, es wäre nicht nötig gewesen, doch da Shane gerade mit einem großen Bagger Baumstämme verlud, fuhr er an den Kubota heran, hob den Anhänger an und stellte ihn dann so wieder ab, dass sich die Räder des Traktors und des Anhängers wieder drehen konnten.

Und auch die große Herausforderung, das Rückwärtsfahren blieb mir an meinem ersten Tag nicht erspart. Was kann man dazu sagen? Menschen, die das schon einmal mit einem Anhänger versucht haben, wissen sicherlich, wovon ich rede. Für den Rest probiere ich, es zu erklären: Fährt man mit dem Auto rückfährts, lenkt man ja in der Regel in die Richtung, in die man rückwärts fahren will. Hat man aber einen Anhänger, muss man genau in die entgegengesetzte Richtung lenken. Bis der sich aber in diese Richtung bewegt, muss man schon ein paar Meter gefahren sein, da die Reaktion verzögert kommt. Man fährt also erst einmal blind, bis man weiß, wie stark der Anhänger in welche Richtung geht. Hat man es geschafft, den Anhänger in die gewünschte Richtung, sagen wir links, zu bewegen, muss man sofort wieder in die andere Richtung lenken (also von rechts nach links), denn sonst schlägt er zu sehr nach links aus und man muss wieder nach vorne fahren, um zu korrigieren und Traktor und Anhänger wieder auf eine Linie zu bringen. Das klingt ziemlich kompliziert, ist es auch. An meinem ersten Tag bin ich bestimmt 30 Minuten hin- und hergefahren, um den Anhänger annähernd so abzustellen, wie ich ihn wollte. Das wird umso nerviger und frustrierender, je mehr Menschen einem zusehen, besonders da Luise diese Aufgabe nach zwei Monaten Fahrpraxis mit beeindruckender Leichtigkeit bewältigte. Sie machte mir aber Mut und sagte, es würde besser werden und ich kann mit Stolz behaupten, dass ich es heute, drei Wochen später, endlich geschafft habe, den Anhänger sofort beim ersten Versuch so rückwärts abzustellen, wie ich ihn haben wollte.

Leah hat mit ihrem Handy wirklich viele Fotos gemacht, doch ich habe dasjenige ausgesucht, auf dem man am wenigsten von der Weide, der Arbeit, den Kühen, dem Traktor und dem Anhänger sieht, weil ich finde, dass ich auf diesem nicht ganz so doof aussehe wie auf den anderen Fotos. Das Bild ist also eine Art Provisorium, bis es ein richtig gutes gibt, also vielleicht stellt ihr euch den Rest bis dahin einfach vor.

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Tag 10: Schafparadies

Heute haben wir die Kartoffeln, die wir mit der Maschine gesammelt haben (hier zum Eintrag), für den Winter vorbereitet. Die riesigen Kisten standen in einer Scheune. Damit sie warm blieben, sollten sie komplett von Stroh umschlossen sein. Die Strohklötze waren neben der Scheune gestapelt und sollten wie Bausteine um die Kartoffelboxen herumgebaut werden, sodass nichts mehr von den Kisten zu sehen war. Damit die Konstruktion stabil war, stapelten wir die Strohklötze versetzt aufeinander, manche mussten in zwei geteilt werden. Sie hielten mithilfe von Bindfaden zusammen, den wir dann auftrennten und neu zusammenbanden. Als wir fertig waren, legten wir oben auf die Kisten loses Stroh. Die Arbeit dauerte relativ lange und da die Strohklötze ziemlich schwer waren, war sie auch recht anstrengend. Nach getaner Arbeit setzten wir uns in den Stapel, von dem wir das Stroh genommen hatten. Dadurch, dass an den Seiten eine Schicht mehr war als in der Mitte des Stapels und Stroh gut isoliert, war es in der Mitte schön warm und windgeschützt.

Nachmittags hat uns Colin ins Auto gepackt und zur einer nahe gelegenen Farm gefahren, denn wir sollten dem Bauern helfen, einige seiner Schafe zu einer anderen Wiese zu bringen. Als wir sie vom Feld trieben, wuselten sie ziemlich wild umher und rannten in alle Richtungen. Dementsprechend war ich überrascht, dass sie nach einigen Minuten schon im Anhänger waren. Die Weide, auf die wir sie brachten, hatte einen überwältigenden Panorama-Blick: Würde man eine Postkarte machen wollen, die die irische Landschaft eindrucksvoll darstellt, sollte man sich auf jeden Fall da hin stellen. Meine Kamera hatte ich natürlich nicht dabei, dennoch konnte ich mithilfe von Leahs Handy ein Foto machen:
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Die Qualität lässt dementsprechend etwas zu wünschen übrig, aber ich glaube, die Idee wird deutlich…

Zuletzt habe ich mit der Axt Holz gehackt. Normalerweise machen wir alles mit der Maschine (hier zum Eintrag), doch die ganz kleinen Spalten, die zum Anzünden benutzt werden, hacken wir von Hand, da sie zu klein für die Maschine sind. Das etwas nervige dabei war, dass mir die Stücke ständig umgefallen sind. Mir hat es trotzdem ziemlichen Spaß gemacht, die Axt zu schwingen. Das Highlight des Tages enthalte ich euch aber vor: Abends habe ich gelernt, den Traktor zu fahren, doch dazu mehr im nächsten Eintrag.

Tag 8 und 9: Cork

Am Samstag Abend haben wir nach der Arbeit im Shop in ein Hostel in Cork eingecheckt und das ganze Wochenende in der Stadt verbracht. Wir hatten ziemliches Glück: An diesem Wochenende war wegen einer Veranstaltung (von der ich nichts genaueres weiß) ziemlich viel los und wir hatten schon die Befürchtung, wir würden keine Unterkunft finden. Doch mit etwas Insiderwissen und Vitamin B hat Tamara dennoch ein 6er-Zimmer mit Bad für 18€ pro Person herzaubern können. Dort haben wir uns also nach der Arbeit schön gemacht und sind aufgebrochen mit einem festen Ziel: Wir mussten die Pizzeria von Alessandro, unserem Barista-Lehrer finden. Der Zettel mit der Adresse und Telefonnummer war verschwunden, doch die Straße wussten wir noch und auch, dass gegenüber ein berühmter Pub namens The Rock sein sollte. Wir gingen in die Innenstadt und fragten uns von da durch. Man muss wissen, Cork ist die zweitgrößte Stadt Irlands, sie hat ca. 119 000 Einwohner. Als ich Cork bei meiner Ankunft in Irland zum ersten Mal sah, machte es auf mich sofort den Eindruck einer Kulisse für einen Film, der vor 100 Jahren spielt: Niedrige, schmale, bunte Häuser, kurvige Straßen, altmodische Ladenfassaden: rustikal und charmant.

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Als wir uns zur Pizzeria durchfragten, warnten uns die hilfsbereiten Ortskundigen, dass es ein ganzes Stück zu gehen sei: Auf Nachfrage gaben sie an, es seien 10 bis 15 Minuten Fußweg. Das hat mich an eine Situation erinnert, als ich in Köln von Touristen gefragt wurde, wie weit es bis zum Neumarkt sei. Ich beschrieb den Weg und sagte, es sei ziemlich nah, höchstens 15 Minuten zu Fuß. Sie wirkten vor den Kopf gestoßen und begannen zu zweifeln, ob sie den Weg überhaupt auf sich nehmen sollten. Das fand ich wiederum komisch: Ich bin in einer Millionenstadt aufgewachsen. Selbst wenn ich zehn Minuten mit der Bahn irgendwo hin fahre, kommt mir das ziemlich nah vor. Bei einer kleinen Stadt ist das wohl anders: Man kann innerhalb von 15 Minuten den ganzen Ort zu Fuß durchqueren.

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Letztendlich fanden wir Alessandros Pizzeria und ließen uns im The Rock nieder, wo er und sein Kollege uns die Pizza hinlieferten. Sie war wirklich lecker und auch das Murphy’s, ein irisches Stout wie Guiness, nur besser, schmeckte mir überraschend gut. Es wird übrigens in Cork hergestellt. Der Pub war ziemlich groß und dunkel, zwischen den Tischen war viel Platz. Es war wenig los, in einer Ecke hat ein Grüppchen Dart gespielt.

Danach sind wir in aufgrund von Krankheitsfällen reduzierter Besetzung ins Raven, einen anderen Pub gegangen. Dieser Laden war ganz anders: Jeder Tisch war besetzt und wir ließen uns an der Bar nieder. Die Stimmung war aufgekratzt, es war eher das, was man als Studenten-Kneipe kennt. Rote Wände, etwas alternativ, viele junge Leute. Überhaupt ist die Durchschnittsbevölkerung in Cork ziemlich jung und international. Es gibt eine große Universität, man trifft viele Franzosen, Deutsche, Russen, Polen. Dem jungen Publikum zum Trotz, oder gerade deswegen, müssen alle Kneipen und Clubs schon um 2 Uhr zumachen, selbst am Samstagabend. So kam es, dass wir um halb 2 rausgeschmissen wurden und uns wieder auf den Weg zum Hostel machten. Unser Zimmer war klein und schlauchförmig: links und rechts Hochbetten, in der Mitte ein Gang, durch den nur eine Person gleichzeitig passte. Am Ende ein relativ großes Badezimmer. Dieses hatte den Nachteil, dass das Licht mit einem Bewegungssensor betrieben wurde, der relativ unzuverlässig funktionierte. Die Lampe ging beispielsweise beim Duschen aus und war auch durch tanzartige Winkbewegungen nicht wieder an zu bekommen. Dies war besonders ärgerlich, weil gleichzeitig der Duschknopf gedrückt gehalten sein musste, damit Wasser aus der Brause kam. Dieses war immerhin 95% der Zeit warm. Trotz allem war das Hostel sehr sauber und warm, ich würde also wieder hingehen.

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Am Sonntag sind wir ausgiebig frühstücken gegangen, in einem Café, das uns von der Hostelrezeption empfohlen wurde. Als ich sah, dass es Pancakes mit Ahornsirup und Speck gab, musste ich natürlich sofort zuschlagen (Die Kombination klingt komisch, wenn man zum ersten Mal davon hört, man sollte sich jedoch nicht beirren lassen). Dazu trank ich Tee. Ich war etwas überrascht, direkt eine ganze Kanne serviert zu bekommen, doch mir wurde erklärt, dass das hier so üblich sei. Für den Nachmittag hatten wir uns Kinotickets gekauft, bis dahin bummelten wir in der Stadt. Wir fanden einen wunderschönen, kleinen Spieleladen mit einer genialen Auswahl. Ich hätte den ganze Tag damit verbringen können, die ausgefuchsten Spielereien auszuprobieren und auch die Auswahl an Brettspielen war umfassend. Außerdem besuchten wir einen Süßigkeitenladen, wo auf Abwaage oder fertig verpackt unterschiedlichste Schlemmereien angeboten wurden.

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Wir stellten fest, dass auf unseren Kinotickets keine Sitzplätze angegeben waren und da der Film erst vor drei Tagen erschienen war, (Mockingjay, Teil 1) wollten wir auf keinen Fall zu spät kommen. Um das Klischee der deutschen Pünktlichkeit auch bloß zu bedienen, fanden wir uns schon um 13:20 im Saal ein, obwohl die Vorführung erst um 14 Uhr beginnen sollte. Der Raum war natürlich absolut leer. Also wählten wir aus allen Sitzplätzen die besten aus und vertrieben uns die Zeit mit Quatschen und Fotos machen.

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Die ersten Besucher betraten das Kino um 13:45, die meisten kamen um 14 Uhr. Vielleicht ist das der Grund, warum es in deutschen Kinos (die ich kenne) immer eine Sitzplatzreservierung gibt: Damit sich die Besucher nicht 40 Minuten vor Beginn in den Vorführraum setzen. Der Saal war auch bei weitem nicht ausverkauft, was uns ziemlich wunderte. Möglicherweise gibt es in Cork ein besser besuchtes Kino, das wir nicht kennen? Auf das Popcorn, das hier grundsätzlich salzig serviert wird, habe ich verzichtet und den Film stattdessen bei einem Slush-Eis genossen. Ich war etwas besorgt gewesen, dass ich wenig verstehen würde, da ich bei englischen Filmen oder Serien oft dieses Problem habe, obwohl mein Englisch sonst relativ gut ist. Zum Glück war die Sorge unbegründet. Einige Darsteller habe ich zwar die meiste Zeit nicht verstanden, doch die wichtigen Dinge und die Handlung konnte ich gut verfolgen. Ich mag den dritten Film der Panem-Trilogie sehr gerne. Ich glaube, das liegt daran, dass er vor allen Dingen emotional war. Oft berühren mich Filme, in denen nicht viel passiert, die irgendwie ruhig sind und  die die Emotionen der Hauptfiguren so authentisch wiedergeben, dass ich den ganzen Film über mit ihnen fühle. Ich halte mich nicht für sonderlich temperamentvoll oder emotional, deswegen ist so ein Film für mich dann ein besonders schönes Erlebnis.

Nach dem Kinobesuch waren wir bei Vibes&Scribes, einem genialen Buchladen mit zwei Filialen nebeneinander: In der einen werden neue Bücher verkauft, in der anderen gebrauchte. Die Auswahl ist in beiden riesig. Nach einem Abendessen in einem Burrito-Laden, vertrieben wir uns die Zeit mithilfe von heißen Getränken bei McDonald’s (Ich trank widerwillig Tee: Meine Nachfrage, ob es Kakao gäbe, wurde verneint. Dann wollte ich mich auf einen Cappuccino einlassen, jedoch war die Maschine kaputt). Um 7 wollten wir uns mit Colin am Shop treffen. Er hatte uns einen Deal vorgeschlagen: Er würde uns nach Hause fahren, wenn wir Sonntag Abend den Shop putzen würden (Sonst hätten zwei Leute am Mittwoch nach Cork fahren müssen). So blieb auch der Sonntag nicht ganz ohne Arbeit. Nach ca. einer Stunde Putzen bestiegen wir den Jeep, wobei zwei Personen im Kofferraum Platz nahmen. Das hatte den großen Vorteil, das Colin sehr vorsichtig fuhr. Normalerweise rast er, nachts stärker als tags, so kommt es mir vor, mit einem Affenzahn über die kurvigen, hügeligen, engen Landstraßen. Oft scheint es so, als würde er direkt auf das entgegenkommende Auto zuhalten und wenn wir über einen Hügel fahren, denke ich manchmal, das Auto müsste jeden Moment abheben. Diesmal fuhr Colin aber besonders umsichtig und so kamen wir wohlbehalten und etwas erschöpft von dem ereignisreichen aber sehr schönen Wochenende wieder in unserem Basement an.

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Tag 7: Kaffee und Eier

Heute habe ich zum ersten Mal richtig im Shop mitgearbeitet. In dem Laden ist immer allerhand zu tun. Morgens legen wir das Gemüse zum Verkauf bereit, bringen Tische und Stühle raus, Milchflaschen und Joghurtbecher werden in den Kühlschrank gestellt. Wir zünden das Feuer in dem kleinen Ofen an, um den Laden zu beheizen, machen Suppe warm, legen Scones oder Tea Brack aus, typisch irisches, süßes, Gebäck, das gerne zu Tee gegessen wird. Den trinken die Iren übrigens, wie die Engländer, meist mit Milch. Samstags ist noch mehr zu tun: Da wird ein kleines irisches Frühstück serviert, das Sally oder Colin vorbereiten. Wer kein Spiegelei mit Tomaten und Fleisch mag, kann auch Haferschleim bzw. Porridge essen. Seitdem ich diesen mit Honig, etwas Zimt und Rosinen probiert habe, so wie wir ihn im Shop servieren, bin ich ein Mensch, der gerne Haferschleim isst. Vorher war das für mich eher ein tut-nicht-weh-Gericht, ähnlich wie Kartoffelsuppe: Ich kann es essen, ich werde davon satt, doch so richtig Spaß macht es mir nicht. Jetzt empfinde ich sogar Genuss dabei. Außerdem ist Samstags immer Markt und da ist im Laden entsprechend viel los, weil viele Menschen ihren Wocheneinkauf erledigen. Die Arbeit mit Sally und Colin läuft etwas chaotisch: Preise werden geändert, angepasst, improvisiert, jedes Mal gibt es etwas neues, was anders gemacht werden soll und dann wieder doch nicht. Mich persönlich stört das aber nicht besonders: Ich habe eher ein Problem mit der etwas unflexiblen deutschen Mentalität. So gibt es im Shop auch keine rigorosen Öffnungszeiten: Meist öffnet er um 9, manchmal auch um 10, er schließt um 5 oder um 6 und wenn wir schon dabei sind, den Laden aufzuräumen und zu kehren, kann immer noch jemand reinkommen und etwas kaufen. Das gilt auch morgens während das Aufbauens: Dann wird die Gemüsekiste mal eben abgestellt und ein Kaffee gekocht oder ein halbes Dutzend Eier für den Kunden in einen Karton gepackt. Umgekehrt ist aber auch kein Kunde sauer, wenn es z. B. Mittags plötzlich keine Milch mehr gibt: Dann kam man eben zu spät, nächstes Mal kommt man früher. Ich muss zugeben, dass es schwierig ist, hier zwischen der irischen Mentalität und dem etwas hippiehaften der Kunden zu unterscheiden. Die kennen die anderen Freiwilligen nämlich zum Teil schon beim Namen, denn gegessen wird meist zusammen an einem Tisch. In Sachen Smalltalk kann den Iren niemand so schnell etwas vormachen. Wer ein Geschäft betritt, wird meist mit Hi! How are you? begrüßt. Was man darauf antwortet, ist nahezu egal: Man kann sagen, wie es einem geht (Good oder Not too bad, wobei wohl beides das gleiche heißt), einfach nur How are you? antworten und dann sagen, was man möchte, oder nach einem einfachen Hi! direkt damit rausrücken. Die Unterhaltung ist dann ziemlich ungezwungen und locker, es werden gerne Witze gemacht. Wegen des irischen Dialektes sind diese für Ausländer wie mich oft schwer zu verstehen, was aber niemanden zu stören scheint.

Heute habe ich auch eine Lektion in der Kaffee-Zubereitung von einem kleinen, bärtigen, italienischen Barista namens Allessandro bekommen. Er hat uns gezeigt, wie man Milch richtig schäumt, welches Verhältnis von Kaffee, Wasser und Milch man bei welchem Getränk braucht und was in welcher Tasse serviert ist. Mit meiner erworbenen Kaffee-Kompetenz kann ich nun Espresso, Double Espresso, Americano, White Coffee, Cappuccino, Latte, Mokka und, nicht zu vergessen, heiße Schokolade machen. Das Handwerk der Milchaufschäumung beherrsche ich allerdings erst in der Theorie.

Zum Schluss möchte ich euch ein wenig durch den Shop führen:

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So sieht der Laden von außen aus, ziemlich unscheinbar. Die Kuhfuttertüte beinhaltet übrigens Feuerholz und kostet 3,50 €. Rechts daneben ist die Eingangstür.

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Hier blickt man vom Eingang in Richtung Theke und Küche. Man sieht die Kühltheke und das Eisfach, in dem Fleisch verkauft wird. Nicht sichtbar ist die Gemüsetheke, die sich rechts vom Betrachter befindet. Wenn man nun den Blick nach links schwenkt…

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…findet man beispielsweise den Korb, in dem Eier zum Verkauf liegen und die entsprechenden Kartons. Es gibt ein Schild, dass die Kunden darauf hinweist, die Kartons, wenn es möglich ist, wieder mitzubringen, damit wir diese wiederverwenden können. Unten links sind kleinere Netze mit Feuerholz und Torf, das auch zum Heizen benutzt wird. Hinten steht Leah an der Kaffeemaschine.

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Nun befinden wir uns an der Kaffeemaschine und haben Blick auf den ganzen Laden. Hinter uns ist die Küche.

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Die Küche ist so fast so klein, wie sie aussieht. Zu dritt steht man sich hier schon auf den Füßen. Nicolas spült gerade Geschirr: Diese Beschäftigung nimmt einen großen Teil unserer Arbeitszeit in Anspruch. Der grüne Pott links hält die Suppe warm. Hinter uns befindet sich noch eine Kältekammer, wenige Quadratmeter groß.

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Von links nach rechts: Nicolas, der Belgier, Christoph und Luise, beide Kölner, die ich durch die Vorbereitung kannte. Hier fehlen noch Leah aus Köln und Tamara aus Stuttgart. Kaffeetassen sind bei uns, wie man sieht, übrigens unterschiedlich. Hier endet der Rundgang.

Nächstes Mal zeige ich euch Cork!

Tag 6: Die Kartoffelmaschine

Heute haben wir uns nach dem Füttern der Tiere ein Lunchpaket vorbereitet und sind mit dem Auto zum großen Kartoffelfeld gefahren.

Potato-Harvesting im Großformat geht so: Man steigt auf eine mächtige rote Maschine, die an einem riesigen Traktor hängt. Ihre Form lässt sich schwer beschreiben, aber im Prinzip besteht sie aus einem komplizierten System aus Zahnrädern, gegeneinander drehenden Schrauben und gitterartigen Fließbändern und dient dazu, Kartoffeln laufend aus der Erde an die Oberfläche zu befördern. In der Mitte der Maschine war das wichtigste Fließband, an dem wir und die beiden anderen Arbeiter standen. Es transportierte Kartoffeln, Steine, Dreck und manchmal anderen Müll, der sich in der Erde befand. Unsere Aufgabe war es nun, von diesem Fließband die Steine auf ein kleineres Band zu legen, das nebenher lief. Da es im Leeren endete, wurden die Steine auf diese Weise wieder auf das Feld geschmissen. Die Kartoffeln, die auf dem großen Band blieben, fielen zum Schluss in einen großen Behälter innerhalb der Maschine. Nachdem eine Reihe des Kartoffelfeldes abgefahren war, fuhren wir an einen großen Container heran, in den dieser Behälter ausgekippt wurde.

Die Arbeit war zugleich eintönig und anstrengend: Einerseits tut man nichts anderes, als Steine von Kartoffeln zu trennen, andererseits läuft das Fließband ziemlich schnell und man schafft es nie, alle Steine in der kurzen Zeit herauszusuchen. Auch das Unterscheiden zwischen Kartoffel und Stein ist nicht immer einfach, da beides frisch aus dem Boden kommt und oft sehr viel Erde dabei ist. An einer Stelle des Feldes hatte der Matsch mehr und mehr die Konsistenz, vor allem aber den Geruch von Kuhmist. Das war auch der Zeitpunkt, an dem mir klar wurde, warum es so wichtig war, Arbeitshandschuhe zu tragen. Diese waren allerdings nach einer halben Stunde Arbeit komplett durchweicht und auch meine Füße hatten sich ungefähr im gleichen Zeitraum in Eisklumpen verwandelt. Ein weiteres Problem war, dass die Maschine nicht immer richtig funktionierte: Alle paar Meter musste man das Fließband mit den Händen anschieben, da es stecken geblieben war und zwischenzeitlich hat sie so laut gerattert und gequietscht, dass es schwierig wurde, die Kartoffeln und Steine auseinander zu halten. Indem man das fragliche Objekt nämlich gegen die stählerne Maschine schlug, konnte man anhand des Klanges erkennen, ob es sich um eine Kartoffel oder einen Stein handelte. Ein Trost war das gute Wetter: Er regnete zum Glück nicht und einige Stunden hatten wir klaren Himmel und es schien die Sonne. Außerdem hat uns der liebe Colin zu Mittag heiße Spaghetti Bolognese und Schokoriegel mitgebracht. Wir aßen sie stehend am Auto, an einem Zaunpfahl, auf dem Boden sitzend oder an irgendein altertümliches Landwirtschaftsgerät gelehnt. Dann setzten wir uns ins Auto, um uns aufzuwärmen. Die anderen Arbeiter waren ebenfalls nett zu uns: Einer bot uns Sandwiches an, ein anderer fragte, ob uns die Arbeit gefiele. Als Nachmittags die Maschine endgültig den Geist aufgab, kletterten wir auf die riesigen Kartoffelkisten und genossen die tiefstehende Sonne. Natürlich waren wir mehr als erleichtert, dass die Maschine repariert werden konnte und wir die letzten zwei Stunden Arbeit nicht verpassen würden. Da dies vorraussichtlich der letzte Tag der Kartoffelernte war, sagte Colin am Ende des Tages zu uns: I promise, you won’t have another day as bad as this one.

Tag 5: preparing the shop

Heute ist Mittwoch. Da der Shop in Cork immer Donnerstags bis Samstags geöffnet hat, wird jeden Mittwoch der Verkauf vorbereitet. Also blieben Luise und ich in unserem Keller, um Flaschen zu strerilisieren, Joghurt zu machen und Gemüse zu schneiden. Das klingt spannend, ist aber ziemlich einfach: Die grünen Glasflaschen, in denen wir Milch und Apfelsaft verkaufen, legten wir zur Reinigung in eine Lauge mit Spülmittel. Anschließend wuschen wir sie mit klarem Wasser aus und befüllten sie ungefähr zu zwei Drittel mit Wasser, damit genug Platz für den heißen Wasserdampf blieb. In einen großen Topf, in den 12 Flaschen stehend reinpassen, gaben wir etwas Wasser und kochten die Flaschen mindestens 30 Minuten darin.

Auch Joghurt zu machen, ist nicht schwer: Ein Topf Milch wird stark erhitzt und anschließend in der Spüle mit Eiswasser wieder runtergekühlt. Dann mischt man die Milch mit ausreichend Fertigjoghurt (irgendwo müssen die Kulturen schließlich herkommen) und stellt den Topf in einen Styroporbehälter, in den man auch kochend heißes Wasser gibt. Dieser wird mit einem Deckel verschlossen und nach acht Stunden Ruhe ist der Joghurt fertig. Ich habe ihn probiert und wenn ich ehrlich bin, schmeckt er ziemlich langweilig. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten und die Leuten im Laden finden ihn offensichtlich gut.

Zuletzt haben wir haufenweise Gemüse geschnitten für die Kartoffel-Lauch-Suppe, die am nächsten Tag zu Mittag angeboten werden sollte. Sally, die Frau von Colin, kocht sie immer am Tag vorher. Da sie direkt über uns wohnt, brauchten wir nur eine Treppe hochzulaufen, um die Töpfe mit dem klein geschnittenen Gemüse zu ihr hochzubringen.

Den Rest des Vormittages haben wir damit verbacht, Gemüse und Feuerholz, das man auch im Shop kaufen kann, mit dem Traktor von A nach B zu fahren. Da wir nur zu zweit waren, saß ich nicht im Anhänger, sondern vorne auf der Motorhaube (der Traktor ist wirklich klein, die Motorhaube ist also höchstens auf Brusthöhe). Dieser Platz ist nämlich meistens besetzt. Der große Vorteil dabei ist, dass man nicht bei jeder Unebenheit mit dem Rücken gegen die Anhängerwand schlägt und es auch nicht so dreckig wie im Anhänger ist. Es wird nach einer Weile sogar warm unterm Hintern. Zu Mittag gab es Sally’s Kartoffelgratin mit viel Speck und noch mehr Zwiebeln, zu dem man sich Romanesco nehmen konnte (das musste ich recherchieren; in meinen Notizen steht Fibonacci-Grünzeug).

Zuletzt waren wir auf dem Feld und haben Rüben gepflückt. Christoph und ich mussten feststellen, dass die Zahl der Wortspiele, die man mit beet, dem englischen Wort für Rübe, machen kann, nahezu unbegrenzt ist. Drop the beet, Don’t insult me or I will beet you und A little beet of magic sind nur einige davon.

Zum Schluss eine kleine Anekdote zum Thema Generation Zombie, zu der ich mich auch selber zähle: Wir sitzen abends im Wohnzimmer, als man auf dem Flur Stimmen hört:
– Woah!
– Oh! Sorry, sorry I’m so sorry, sorry, sorry, sorry, sorry… (geht in Gelächter über)

Was ist passiert?

Leah ist gedankenverloren in ihr Handy versunken, als sie das Badezimmer betritt. Auf der Toilette sitzt Nicolas und schaut ebenfalls auf sein Handy. Leah bleibt stehen, beide blicken auf und sind total überrascht, den anderen zu sehen…unser Badezimmer lässt sich nämlich nicht abschließen, also schaut man in der Regel, ob die Tür zu ist und Licht brennt. Die Geschichte war aber eigentlich lustiger, bevor ich sie gehört hatte: Ich dachte, Nicolas hätte unter der Dusche gestanden, als Leah reinkam. Da man beim duschen unmittelbar vor der Tür steht, wäre man in so einer Situation allen Blicken ausgeliefert…